Seemansgarn

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John
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Seemansgarn

from John on 05/30/2017 10:03 AM

Der Fürst und das Meer

Sanft schlägt die Flut,
schallend bricht sich der Wellenbrut.
Am Kai entlang das Leben surrt,
in klingender Melodie, die Rufe sich vereinen
zu bringen sagenhafte Frachten über ferne Weiten.

Perlen, weiß wie die Wolkenschliere
Am völkerfreien Horizont.
Sie fallen von geschlossenen Lidern,
in weit geöffneten Spiegeln zeigt sich der atemlose Schlund.

Muscheln knirschen unter schweren Sohlen.
So zerbrechlich, leicht gebrochen, zurück bleiben
Nur Stückchen einer einst fein gewundenen Meeresform.

Das Gold der Münzen blitzt einer Klinge gleich,
die Schleife ist geschlungen und
das Kindlein kehrt heim.

Stolz er schreitet, die Schultern breit,
der dunkle Mantel wallt auf
wie der Flügelschlag eines Rabens
in der sanften Meeresbrise, sein Geleit.

Viele sind gekommen, um einen Herzschlag zu erhaschen,
viele warten auf seinen Blick
und unter ihnen sind die seinen
mit wild schlagendem Herzen vereint.

Ein Handschlag.
Ein Wort.
Ein Verrat.

Gleich einer innigen Umarmung erfasst ihn der Wind,
reißt hinfort seinen Dreispitz,
kein Blick zurück,
die Schritte wallten nur nach vorn. Prachtvoll zu betrachten.

Seine Augen schweifen über glänzend Haar,
über rosge Antlitze, sanfte Formen und schimmernde Kleider.
Fort von allem.
Da der Ruf, so sehnsüchtig, wie er kann nur kommen
Von einer geliebten Dame.
Sie erbittet einen letzten Kuss.

Ein Lächeln tanzt über eisenharte Züge.
Ihr wallend Kleid bauscht sich rauschend auf.
Saphirblauer Brokat, weiße Spitze rüscht sich am Saum.
Perlen als Geschmeide und ihr Haar wirbelt feengleich.
Eine Böe.
Ein Streicheln, wie ein Hauch kitzelt seinen Hals.
Das Herz wird leicht, die Lippen erzittern.
Ein Hauch. Das Holz knackt. Die bleichen Segel blähen auf.

Der Sturm ist da.

Stolz steht er.
Stolz bezeugt er.
Vereint mit seiner Liebsten und doch so fern.
Nur wenige Schritte vermag sie noch zu trennen.
Immer entzweit.

Die von der Sonne geküsste Haut,
sie schimmert golden.
Die Augen dunkel wie die Flut
Im Widerschein der Sterne.

Einem Tänzer gleich
biegt er sich im Winde sanft. Die Sehnsucht bricht nicht ab.
Hell schimmert sein Gebein. Elfenbeingleich durch ein
Segel aus zerfledderter Haut. Reinweiß.

Ein gutes Mahl für die Vögel, die in seinem Fleisch picken.
Wie sie sich laben. Wie sie reißen, was noch da zu sein vermag.
Ein Jammern, eine Schande, so zu sehen baumelnd
Einen freien Fürsten, ein Gemahl von Sturmbraut und
Königin der Pazifik.

Ein letzter Gruß. Ein letztes Salutieren.
Leb wohl mein Freund, werde zu Salz und Staub,
deine Braut wird dich willkommen heißen,
Heirat gehalten wird am Horizont.

-in Gedenken an den Captain der Rabenschwinge , verfasst von John Goldeye

 

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John
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Re: Seemansgarn

from John on 05/30/2017 11:02 AM

Klabautermann

Habt ihr je ein Flüstern bemerkt? Leise Schritte ohne dass jemand auf dem Deck anwesend war? Ein Schauern überläuft die blanken Arme und man fühlt unsichtbare Blicke auf der Haut. Man wendet sich um, doch niemand erscheint da zu sein.

Doch das Gefühl bleibt.

Es ist nur meist eines der ersten Anzeichen für einen seltenen, doch sehr guten Gast.

Ein Klabautermann hat sein Heim in einem Khan aufgeschlagen und reist mit der Crew über das Gewässer. Glaubt man den seltenen Beschreibungen, so sieht man ihn oft nur als Schatten oder Umrisse in der dunklen Nacht, wenn er dabei hilft das Schiff zu reparieren, beschützt es und die Crew und spielt nur zu gerne Streiche. Ein verschwundener Schuh, eine Socke festgenäht am Segel oder versalzenes Essen gehören zu seinem liebsten Schabernack.

Andere glauben ihn in einem fremden Matrosen erkannt zu haben, andere wollen ihn mit einer Pfeife im Mund gesehen haben oder grünen Zähnen. Ältere Geschichten sprechen von geisterhaften Schemen, schwebender Kleidung, einer Möwe auf hoher See oder einer Gestalt, die sich ständig verändert wie sie will.

Will man als abergläubischer, furchtsamer Mann einen solchen Klabautermann fern halten, sollte man sich ein Huhn auf sein Schiff holen. Aus keinem offensichtlichen Grund scheint es einen Klabautermann abzuschrecken. Es gibt aber auch durchaus Rituale und Methoden, um einen solches Geschöpf anzuziehen. Wenn man es sich nicht mit ihnen verscherzt, können sie sehr hilfreich sein und sie verlassen ihr neues Heim nur wenn das Schiff untergeht.

Sie gehen als Letzte, um so viele wie möglich der Crew zu retten, sagen freundliche, alte Zungen. Noch ältere Seeleute glauben, dass umso schöner, größer und älter das Schiff ist, umso mächtiger und unberechenbarer ist der Klabautermann, der sich einschleicht. Er brauch genug Platz für seine Präsenz. Es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass ein Kerlchen sich an einen Captain oder eine Mannschaft mehr bindet als an ein Schiff und mit ihnen zum nächsten Schiff umzieht. Oftmals wird der Klabautermann bei diesem Wechsel mächtiger und stärker. In anderen alten, verlassenen Schiffen sollen Klabautermänner Jahre lang hausen bis ein neuer Captain kommt oder die Schiffe zerstört werden. Manchmal wehrt sich eines der Kerlchen aber auch dagegen und vertreibt die Eindringlinge. Angebliche Geisterschiffe, die man auf dem Meer gesichtet hat, sollen von einem Klabautermann durch die Gewässer gelenkt worden sein. Das sagenhafte Meeresvolk glaubt, wenn sich besetzte Schiffe feindlich treffen, die Klabautermänner beider gegeneinander kämpfen. Treffen sie sich freundlich, so tauschen die Geschöpfe sich munter aus und manchmal wechseln sie den Khan, um zu sehen, wovon der andere sprach.

In der goldenen Zeit beschreiben viele Hochelfen, wie sie Klaubautermänner in ihrer Galionsfigur fingen. Die Geschöpfe fühlten sich von den hübschen Damen angelockt und gingen so in die Falle. Aber auch das ist nur ein altes Märchen, das man sich vor dem Feuer erzählte.

Doch vielleicht wirst du das nächste Mal, wenn du die unsichtbaren Blicke spürst oder der Geruch von Tabak in der Luft liegt, dich an den Klabautermann erinnern und ihm als Dank und aus Freundlichkeit ein kleines Geschenk hinterlassen. Er liebt Zucker und nur ein Würfel voll stimmt ihn schon gnädig.

 

Und wer sein Glück mal probieren will, hier ist ein kleines Ritual, um einen Klabautermann anzuziehen. Ob es funktioniert oder ob er bleibt, sei mal dahin gestellt:

 

Man nehme ein Glas Rum, einen Löffel Zucker, einen gebratenen Hering und eine Pfeife mit bestem Tabak. In einer Vollmondnacht auf einem goldenen Tablett lässt man alles über Vollmond an Deck stehen. Dann singt man ein Lied mit viel Spaß und einem guten Tackt und tanzt um die Opfergaben herum. Danach sollte man zu Bett gehen und den Klabautermann seine Zeit gönnen. Ist am nächsten Morgen das Glas leer, der Zucker über dem Hering und der Kopf des Herings gegessen und der Tabak geraucht, dann hatte der freie Klabautermann einen schönen Abend. Und nur vielleicht bleibt er da.

 

Doch Vorsicht! Man möchte keinen gefährlichen, zu launischen erwischen. Manche Streiche hatten auch schon keinen guten Ausgang.

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-aus "Huldigung an den Klabautermann", verfasst von dem Autor Ludwigius Bahlle

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John
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Re: Seemansgarn

from John on 05/30/2017 12:08 PM

Galionsfigur

Es gibt diese Schönheiten in allen möglichen Farben und Formen. Die Klassischste ist die einer Windbraut oder einer hübschen Meerjungfrau. Sie soll das Schiff durch den Sturm leiten und dem Meer huldigen.
Man erzählt sich, in ihnen wohnen Seelen. Fremde, die sich eingenistet haben, andere behauptet die Liebste eines Matrosen, die zurück gelassen wurde und vor Kummer starb, um ihren Liebsten über die See hinweg fand, um bei ihm zu sein. Andere dunkle Legenden der goldenen Zeit besagen, dass man Mitglieder des Meeresvolkes gefangen wurden und unter qualvollen Methoden konserviert und in die Galionsfiguren umgewandelt wurden.
Manchmal in stummen Nächten wollen Seefahrer die Frauengestalten schon weinen oder singen gehört haben. Es gibt viele Geschichten, Lieder und Gedichte zu ihnen und auch wenn es alles nur Geschichten sind, so ist eines sicher: Die Matrosen lieben ihre Galionsfiguren und schwören darauf, dass sie ihnen auf der See Glück bringen würden.

Wie Schaum schwimmt
Das Netz auf den Fluten aufwärts heran
Man zieht, man zerrt, man reißt
Und endlich ist der Fang an Land.

Fische, die zappeln,
Flossen, die schlagen,
zwischen Schuppen ein Hauch
von seidigen Haaren.

Lippen, die nicht nach Luft schnappen,
Augen die geschlossen leiden
Und ein wohlgeformter Oberleib,
der endet in Fischgebein.

Kein Hauch mehr Leben in dem
Eleganten Leib, doch nichts soll
Verderben.
Ein neues Leben steht bereit.

Nun segelt die Tochter des Meeres,
wie eine Braut mit wehendem Haar,
über die türkisen Fluten.
Perlen aus Gischt sind nun ihr Geschmeid.

-Autor: Ludwigius Bahlle

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John
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Re: Seemansgarn

from John on 06/10/2017 01:12 AM

Der folgende Text bezieht sich auf den gesuchten Charakter des Admirals Dael Achas. Es ist ein kleiner Einblick und Beispiel in seine Vorgeschichte und soll helfen den Charakter besser zu verstehen.

Die Nacht der Krähen

Wie ein schimmernder Fluss strömte die obere Schicht der Bevölkerung in das hell erleuchtete Opernhaus. Das warme Licht der Kerzen fiel aus den hohen Fenstern hinaus auf die Straße und malte wie ein alter Künstler sicher und geschickt die altbekannten Umrisse von Schatten auf den Staub des Pflasters. Schwere, verkrustete Stiefel polterten über den Boden. Das Wasser, das sich in den Pfützen wie ein schwarzer Tümpel gesammelt hatte, spritzte auf den Stoff von Hosen und Schuhen.
In der Ferne klirrte ein Fenster. Scherben fielen wie frischer Schnee hernieder, während der Klang des gebrochenen Glases in den ersten Tönen der Sängerin und des Orchesters unterging.
Der erste Akt ist wart beendet und das Publikum applaudierte großzügig der berühmten Dame in all ihrer Pracht. Die Sängerin verschwand wieder von der Bühne und der Vorhang fiel hinab. Die Stimmung hatte sich gelockert und Bedienstete verteilten kleine Köstlichkeiten und einen erfrischenden Tropfen, um für die nächste Vorführung das schaulustige Publikum zu stärken. In den oberen Rängen blickten mit gnädiger Miene die hohen Herren und Damen hinab und so manch ihrer Namen sind im Stein der Spender und Wohltäter des Opernhauses verewigt worden.
Doch keiner dieser Namen sollte in dieser Nacht zählen.
Der Vorhang öffnete sich erneut und der nächste Akt begann.
Unter dem Dach wie die Ratten verteilen sich die Männer, die sich Zugang in das Opernhaus verschafft haben. Die Waffen bereits in der Hand. Sie waren gekleidet in dunkle Kapuzen und Umhänge. Die Meisten dreckig und zerrissen. Unter verfilztem Haar blickten brutale, kleine Augen unter tief gerunzelten Stirnen hervor und nur leise entwich der Atem in zischenden Tönen. Sie wichen in dunklen Schatten zur Seite aus, wie die Vorhänge auf der Bühne dem schwarzen Schwan wichen.
Der Mann unter dem dunklen Gesindel, das sich am Dachboden tummelte, trat näher an eines der Löcher, um hinab zu spähen. Vor ihm tat sich der golden und rot schimmernde Saal auf. Die Juwelen der Damen blitzten, die Goldfäden in den Jacken der Herren schimmerten in Milliarden kleiner Sterne. Sie bildeten das völlige Gegenteil zu seiner abgetragenen Jacke voller Flicken. Doch heute war die Nacht der Nächte. Die Nächte seines größten Raubzuges. Er hatte Monatelang alles vorbereitet. Er lehnte die Stirn gegen das Holz und den Unterarm gegen die Wand. Seine farblos grauen Augen blickten eiskalt und leblos hinab. Jede Farbe schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein. Seine harten Lippen pressten sich mit einem stets ironischen Zug aufeinander. Kaum merklich hoben sich seine Mundwinkel an und seine Lippen nahmen einen deutlich diabolischen Verlauf an.
Seit er ein Kind gewesen war, hatte er sich nichts Erhabeneres vorstellen können als das Theater und die Oper. Wie oft hatte er beobachtet, wie die feinen Damen und Herren eingezogen waren. Wie oft hatte er ihr freudiges Gelächter vernommen? Wie oft hatte er ihre glücklichen Gesichter gesehen, wenn sie das prunkvolle Gebäude wieder verlassen hatten?
Zu oft.
Zu oft hatte er es ertragen. Machtlos. Eifersüchtig. Gierig.
Wenn er Glück gehabt hatte, hatte einer Goldärsche ihm eine kleine Münze in die Dreck verkrustete Hand gedrückt und ihn dann aus dem Weg gestoßen wie einen räudigen Köter. Im Winter hatte es ihm des Öfteren sein Leben gerettet, wenn er die erbettelten Münzen gegen ein altes Leib trockenes Brot hatte eintauschen können. In den schlimmsten Nächten war ihm der farblose Kittel von den Schultern gerutscht, die Hose schon löchrig wie der köstlich duftende Käse auf dem Markt und seine Schuhe hatten die längste Zeit Sohlen gehabt. Und jeden Abend sah er die Wohlhabenden Pfeffersäcke mit ihren warmen Fellkrägen und gefütterten Kleidern an sich vorbei eilend. Wie purer Hohn war es ihm vorgekommen. Blanker, ätzender Hohn, der seine junge Seele vergiftete und auf fruchtbaren Boden fiel.
Er hatte gelernt zu überleben. Zu töten, zu stehlen und seine Opfer mit kleinen Tricks auszutricksen. Er hatte sich die kleinen Spielereien selbst bei gebracht. Abgeschaut von verschiedenen Straßenkünstlern, die an der Hafenstad kamen und gingen wie die Ebbe und die Flut.
Dann war er älter geworden, stärker und sein Verstand hatte an Schärfe gewonnen. Mit wachsender Übung und Geschick, kam mehr Geld in seine Taschen. Mehr Geld bedeutete mehr Nahrung und wärmere Kleidung. Grundbedürfnisse, die gedeckt, wahre Wunder bewirken konnten. Er war gewachsen, seine Muskeln hatten sich ausgebildet und er war mehr drahtig geworden. Seine Gestalt wurde einschüchternd, grimmig wie der Schatten des Rabenkönigs. Er mochte diesen Vergleich und er trug stolz sein schwarzes Haar offen und Rabenfedern an seinem Gürtel. Er wollte Angst und Furcht verbreiten. Der Ruf des Rabenkönigs unter diesen gläubigen Spinnern kam ihm dabei zu Gute. Er hatte begonnen mit einem der Rabenkulte Kontakt aufzunehmen und pflegte mittlerweile gute Handelsbeziehungen zu ihnen. Sie sicherten seinen Stand ab und mit ein paar geringen Opfern konnte er so an bessere Waffen und Männer gelangen. Was waren ein paar kleine Sklaven dagegen schon? Straßengören, heimatlos, schwach und in Masse vorhanden. Sie bekamen als Ware mehr Wert als ihnen zu stand und füllten seine Geldbörse auf. Da die Meisten nicht lange überlebten, musste er auch stets für mehr Nachschub sorgen. Ein gutes und lohnendes Geschäft, aber nur ein kleiner Teil seiner Einkünfte.
Die heutige Nacht würde seinen Ruf fördern und ihn mehr als berüchtigt machen. Man würde ihn ernsthaft jagen, aber er vertraute auf den Schutz des Rabenkönigs und sein eigenes Könnens. Seine Männer waren ihm treu und verschwiegen. Wer es nicht war, verlor seine Zunge und somit die Fähigkeit ihn zu verraten. Oder den Kopf. Er war nicht wählerisch. Nur gierig. Und gnadenlos mit Verrätern.
»Boss«, brummte einer seiner Männer, aber mit einem Zucken seines Zeigefingers ließ er die gesamte Horde schweigen. »Wir warten auf das Zeichen. Lass mich noch etwas schauen.«
Seit einer Ewigkeit wollte er in einem dieser Stühle sitzen und dem Schauspiel auf der Bühne zu sehen. Er wollte den guten Wein trinken, der Musik und den wohlgeformten Worten lauschen und alle anderen mit hochwohlgeborener Verachtung betrachten. Aber unter seinen Augen lagen nur dunkle Ringe, welche neben dem Schatten seiner hohen Wangenknochen den einzigen Farbkontrast in seinem Gesicht warfen. Eine Strähne löste sich aus seinem nach hinten geflochtenem Haar und gab ein spitzes Ohr frei. Er strich sie achtlos zurück und fand endlich mit dem starren Blick, was er suchte. Auf der Bühne fand eines der beliebtesten Stücke in der Geschichte Embaros statt. Auch er kannte sie. Oft genug hatte er den Erzählern und Priesterinnen gelauscht, die in den Straßen an die Waisenkinder Essen verteilt hatten. Es war eines der Märchen, die dem Schwanenprinzen zu geschrieben wurden. Sie wurden in allen großen Städten des Landes aufgeführt. Um zu bilden, zu unterhalten und zu lehren. Doch was konnten die reichen Säcke mit ihren goldenen Ärsche noch lernen? Sie waren satt und müde. Träge von ihrem guten Leben und vergaßen die Nachsicht.
Sie vergaßen die Lehren des schweren Lebens. Und doch kamen sie sogar aus Urda, um dieses Stück zu sehen. Der Schauspieler des schwarzen Schwans galt als der Beste seit Jahrhunderten. Seine Performance wurde überall gerühmt und die Mädchen aller Stände trugen seinen Namen auf der Zunge, während sie von ihm schwärmten. Er fand es lediglich zum Kotzen.
Und doch war da die Neugierde, geboren aus Neid, die ihn lauschen und sehen ließ. Die Stimme des schwarzen Schwans tönte wohl und klar, mächtig durch den Saal und durch die Architektur bis hinauf zur Decke. Alle Schauspieler auf der Bühne verblassten vor ihm, seine Darbietung überstrahlte die seiner Vorgänger und seine Präsenz stellte jeden in den Schatten. Selbst den hübschen blonden Schönling, der die Hauptrolle des Schwanenprinzen ergattert hatte.
Jeder in diesem Saal war gekommen um den schwarzen Schwan zu sehen.
Und er enttäuschte keinen. Selbst der Anführer der Krähen musste anerkennen, dass er überrascht und beeindruckt war. Er genoss es einige Momente lang einfach nur zu zuschauen bis er aus dem Augenwinkel ein Leuchten war nahm. Das Licht einer Lampe, die für das verabredete Signal an und abgedeckt wurde.
Das Spiel begann. Er setzte die Maske der Krähe auf und seine Männer taten es ihm nach.
Kurz darauf kroch Rauch unter die Sitze.
Die ersten Unruhen wurden laut und als die Masse begann in Panik zu geraten und getrieben wie Schlachtvieh in eine Richtung zu drängen, war alles bereit. Die wenigen Wachen der Oper lagen erstochen und erwürgt in den Gängen. Und wie Aasfresser stürzten sich die Raben von allen Seiten auf ihre Opfer. Es war verboten im Theater oder in der Oper eine Waffe bei sich zu tragen, wenn man nicht der Wache angehörte und so waren die Gäste leichte Opfer. Sie wurden zurück gedrängt, alle Ausgänge verriegelt und blockiert, die Luft wurde heiß und stickig.
Der illusionierte Rauch war nur ein kleiner Trick gewesen, um die Angst zu schüren und Chaos zu stiften. Einfach und effizient. Wie gut genährtes Vieh, dass sie in Wahrheit waren, trieben sie die Theatergäste zusammen und schlugen alles kurz und klein, was ihnen im Weg war. Ein Mann, der glaubte, den Helden zu markieren schlug der Anführer der Krähen so hart mit der Faust ins Gesicht, dass das Blut ihm aus der Nase spritzte, als sie brach. Sofort sackte der Mann zu Boden und wurde zu einem Hindernis, über dass die Damen in ihren weiten Röcken und mit ihren hohen Schuhen panisch stolperten.
Überall entstellte Gesichter vor Panik, Tränenmeere, hektisches Schluchzen und unkontrolliertes Zittern. Das war ein Anblick, der ihm gefiel. Das war ein wahres Spektakel! Seine Lippen verzogen sich zu einem selbstgerechten Grinsen. Zwischen purem boshaften Schlägen auf die wehrlosen Gäste und den ersten panischen Schreien von Edeldamen, die fort in eine dunkle Ecke gezogen wurden, wanderten Schmuck und Geldbörsen in die Taschen der Räuber.
Der Anführer der Krähen behielt den Überblick und beobachtete, wie man auch die höheren Ränge zu leeren begann. Alles lief nach Plan. Er würde nach dieser Nacht der mächtigste und reichste Mann der Unterwelt sein.
Er wandte den Kopf, als er sah wie der Schauspieler des Schwanenprinzen vor seine Füße gestoßen wurde. Der Schauspieler war noch ein halber Knabe. Wahrscheinlich war er nur durch sein engelhaftes Aussehen in diese Rolle geraten. Der Junge weinte wie ein kleines Kind mit großen, verschreckten Augen. Langweilig. Er trat ihm ins Gesicht und beobachtete wie er mit einem erstickten Laut zu Boden sackte. Hinter ihm wurde die restliche Stückbesetzung angetrieben. Die kühlen Augen des Krähenanführers wanderte über das Chaos.
Dann stockte er. Einer fehlte. Einer, der zuvor noch von jedem Augenpaar beobachtet worden war. Und nun war er fort, wie als hätte es ihn nie gegeben. Sein Instinkt warnte ihn, rumorte wie ein losgelassenes Tier. Es irrte sich nie. Auch dieses Mal nicht.
Mit einem Mal wurden Schreie laut, die anders waren. Ohne Angst. Nur Schmerz und Unglauben lag in ihnen. Er schreckte herum und sah mit einem Mal, wie sich unter seinen Männern eine große Lücke auftat. Mehrere lagen auf dem Boden. Blutend und bewusstlos. Und wie ein Schwan unter niederem Vogelvolk erhob sich ein Mann mit noch wehendem Umhang. Das Gewand war blau und schwarz wie die junge Nacht. Der Umhang senkte sich wieder über seine rechte Schulter. Die goldenen Zierringe an seinem Tuch klimperten spöttisch. Über dem hoch geschlossenen Kragen setzte sich der lange Schwanenhals fort bis es das markante Gesicht des Mannes erreichte. Es war das erste Mal, dass er ihn den schwarzen Schwan so nahe sah. Eine lange, gerade Nase, ein wohlproportioniertes Gesicht und klare sturmartige Augen, die den Anführer der Krähen unter spitz zulaufenden Augenbrauen fixierte. In diesem Blick las er etwas, das er ewig nicht gesehen hatte. Einen klugen, starken, widerspenstigen Geist.
Und Stolz. Einen so großen, verdammten Stolz und Selbstsicherheit, die er nie zuvor gesehen hatte. Statt dem tiefschwarzen Haar, dass der Anführer der Krähen besaß und das man auch dem schwarzen Schwan zu schrieb, hatte dessen Darsteller im warmen Licht der Lampen mehr dunkelbraune Haare. Satt und voll in der Farbe, die aus der Ferne durchaus als schwarz betrachtet werden konnten. Doch sie waren glatt und schimmernd wie die Tiara, die seine Stirn wie eine Krone schmückte. Der Stein in deren Mitte glich einem einzelnen Blutstropfen und der Stil war altelfisch. Vermutlich war sie ein Vermögen wert, aber man würde eher seine Hand verlieren, als an diese zu kommen.
Eine der Krähen griff ihn von hinten an und taumelte kurz darauf mit aufgeschnittener Kehle zurück. Das Blut spritzte wie eine Fontäne hervor und besudelte die Kleidung des schwarzen Schwans, der einfach weiter wütete.
Der Anführer der Krähen konnte nicht anders als erneut vor dieser Darbietung inne zu halten und zu beobachten. Die Kraft in jeder Bewegung. Die Schnelligkeit, der gestohlenen Klinge einer Krähe in der Hand des Schwans. Die Eleganz in jedem tödlichen Hieb.
Der Mann war kein Schwan. Er war ein Raubtier. Ein Raubvogel, den man entfesselt hatte und der wusste, was er tat. Der Anführer der Krähen hatte ihn einfach für einen dieser Söhne aus reichem Haus gehalten. Ein Adliger mit wohlklingendem Familienname, der für nichts arbeiten musste und dem alles in den Schoß fiel. Und doch kämpfte er nun wie ein Berserker und mähte eine Krähe nach der anderen nieder. Sein bloßes Erscheinen entzündete eine Flamme und vertrieb die Angst. Gäste griffen nach den zu Boden gefallenen Waffen und begannen sich zu wehren. Auch in den oberen Rängen wandte sich das Blatt. Ein Mann mit einem dunkelrotem Mantel und einem auffallendem Bart stieß einen der Räuber so heftig von sich, dass die Krähe durch das Holz der Brüstung berstete und sich beim Sturz das Genick lauthals brach. Der Mann rief dem Schauspieler etwas zu, das wie ein Name klang, bevor er sich ebenfalls eine Waffe nahm und den anderen Gäste in den oberen Rängen zu Hilfe kam. Man brauchte nicht lange hin zu sehen, als zu wissen, dass der ältere Mann, ein geübter Kämpfer und Veteran war.
Der Anführer der Krähen knirschte mit den Zähnen und griff nach seinem Schwert. Er brüllte Befehle und die Angst vor ihm trieb die Krähen wieder in geordnete Bahnen. Sie versuchten die Menge wieder unter Kontrolle zu bekommen, während sich ihr Anführer dem schwarzen Schwan entgegen stellte. Sie waren beide von großer Gestalt und im Chaos konnte er nicht sagen, wer größer oder stärker war. Zu viele Faktoren störten dieses Bild. Stattdessen preschte die erste der Krähen vor und vollführte blitzschnell einen frontalen Angriff. Der Schwan wehrte ihn ab.
Es war ein Abtasten. Ein erstes Kräftemessen und die kurze Überraschung in den graublauen Augen des Schwans verschaffte ihm einen Hauch Befriedigung. Der eingebildete Bastard hatte nicht damit gerechnet, dass ihm einer der Räuber an Stärke etwas entgegen setzen konnte. Doch als der schwarze Schwan mit einem Mal zu grinsen begann, überraschte es den Anführer der Krähen so sehr, dass er nicht Acht gab. Plötzlich stolperte er zurück und ein brennender Schmerz fuhr ihm von der rechten Schulter bis hinab zu linken Seite. Der Stoff sog sich augenblicklich mit Blut voll und seine Sicht trübte sich für einen Moment lang. Er sah nur noch diese Augen mit ihrem verfluchten hämischen, stolzen Blick.
Einer seiner Männer packte ihn an der unverletzten Schulter und schleifte ihn fort, während andere den Schwan beschäftigten.
Der Plan war gescheitert. Mit dieser Nacht wurde er berühmt und berüchtigt. Aber nicht, weil er erfolgreich gewesen war. Die Meisten seiner Männer entkamen, aber die Verluste waren hoch und ihr Gewinn reichte gerade aus, um diese zu decken.
Diese Nacht, die bekannt wurde, als die Nacht der Krähen, hinterließ nicht nur eine große Narbe auf seiner Brust zurück. Die wahre Wunde ging tiefer. Sie verfolgte ihn in seine fiebrigen Träume, ausgelöst durch den entzündeten Schnitt. Das Gesicht des Schwans blieb zurück in seinem Geist. Die graublauen Augen waren stets da, wenn er die seinen schloss.
Dieser stolze, selbstgerechte Blick. Diese Stärke. Die Macht. Der Reichtum. Alles was er wollte und hasste war vereint in diesem Mann.
Er wollte ihm alles nehmen. Er wollte Rache.
Er, die Krähe, wollte den schwarzen Schwan brechen sehen und ihm alle Federn ausreißen. Ihm seine Augen auspicken. Jeden Funken Stolz wollte er ihm entreißen und sich davon nähren.
Er wollte den schwarzen Schwan brechen sehen. Er würde erst zufrieden sein, wenn er dem Sinnbild seiner Gier, seines Neids und seines Hasses in die graublauen Augen blickte und sah wie der Blick in ihnen brach.
Für ein und allemal.

                                           Kraehe2.png

(Das Zeichen der Verbechergruppierung "Die Krähen". Man findet es oft an die Wände der gefährlichen Teile von Persepolos gepinselt. )

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